Häufig gestellte Fragen

Je nach Stand der Saison erreichen uns beinahe täglich Hilferufe von „Bärchenfindern“ und/oder Menschen, die auf irgendeine Weise mit Waschbären konfrontiert sind. Nicht immer können wir sie aufgrund unseres übervollen Arbeitsalltags gleich oder überhaupt beantworten. Deshalb haben wir hier einige Antworten auf häufig gestellte Fragen zusammengestellt. Da unser Standort in Hessen liegt, beziehen wir uns bei der Beantwortung auf die hierzulande geltenden Rechtsverordnungen. Ggf. müssen Sie die Lage in Ihrem Bundesland also hinterfragen.

Nicht vorschnell handeln! Waschbärmütter lassen ihre Jungen schon mal bis zu 48 Stunden allein. Beobachten Sie die Situation, stellen Sie bestenfalls eine Wildtierkamera auf. Falls die Nächte noch kühl werden, sorgen Sie für Wärmequellen, indem Sie z. B. eine PET-Flasche mit warmem Wasser füllen, mit einem Handtuch umwickeln und regelmäßig austauschen. Aufzuchtmilch (am besten für Hunde) sollten Sie erst nach etlichen Stunden anbieten.

Wirklich hilfsbedürftig sind nur verletzte oder augenscheinlich kranke Tiere, Jungtiere, die mit geschlossenen Augen außerhalb der Wurfhöhle liegen und auch nach längerer Beobachtungszeit nicht von ihrer Mutter abgeholt werden, und natürlich Jungtiere, deren Mutter tot in unmittelbarer Nähe aufgefunden wird.

Eine Rückführung bietet die Chance, Jungtiere bis zur Rückkehr ihrer Mutter sicher zu verwahren – insbesondere an Orten, an denen den Kleinen Gefahren durch Übergriffe von Hunden, Katzen oder wilden Beutegreifern oder durch Straßenverkehr drohen. Setzen Sie die Kleinen in einen hohen Umzugskarton, aus dem sie nicht hinaus-, die Mutter aber hineinklettern kann, und sorgen Sie für Wärmequellen, indem Sie z. B. eine PET-Flasche mit warmem Wasser füllen und mit einem Handtuch umwickeln. Ziehen Sie sich dann – so schwer das auch fallen mag – über Nacht zurück und schauen erst am nächsten Morgen nach. Natürlich können Sie auch, falls zur Hand, eine Wildtierkamera aufstellen.

Übrigens: Der den Waschbären eigene Pragmatismus geht so weit, dass im Zweifel auch andere Fähen (weibliche Tiere) die Jungtiere „aufsammeln“, obwohl es nicht ihre eigenen sind.

Die erste lebenserhaltende Maßnahme ist Wärme. Dazu können Sie z. B. eine Transportbox oder einen stabilen Karton mit einem aufgeschüttelten Handtuch ausstatten, in das sich das Tier zurückziehen kann, und eine mit warmem Wasser gefüllte und mit einem Handtuch umwickelte PET-Flasche hinzugeben. Achten Sie darauf, dass sich das Tier von der Wärmequelle auch zurückziehen kann. Verwenden Sie bitte kein Rotlicht, da vor allem Jungtiere schnell austrocknen, gerade wenn sie noch wenig Fell haben.
Die Aufzucht selbst erfordert ein fundiertes Wissen, praktische Hinweise von erfahrenen Personen und eine Menge Geduld und Fingerspitzengefühl. Hier ein paar Basics:
• Aufzuchtmilch: für Katzenwelpen (ideal „FoxValley Milchersatz für wildlebende Tiere“); tägliche Milchmenge je nach Alter etwa 15 % bis 20 % des Körpergewichts, verteilt auf anfänglich 6, später 4 Mahlzeiten am Tag; wichtig: bei den Babyflaschen auf die richtige Saugeröffnung achten, den Welpen in Bauchlage oder stehend füttern und Milch niemals zwangsweise verabreichen!
• Verdauungsförderung: Bauchmassage zum Harn- und Kotabsatz; bei Durchfall Milch verdünnen bzw. Fenchel- oder Kamillentee geben, ggf. Tierarzt hinzuziehen
• Absetzen von der Flasche: etwa im 2. Lebensmonat; Gefahr bei zu früh abgesetzten Welpen: Nuckeln an eigenen Körperregionen, Abhilfe durch Schnuller
• Heranführen an feste Nahrung: der Aufzuchtmilch nach und nach Babybrei und gequetschte Bananen hinzugeben; Nahrungsspektrum kontinuierlich auf alle möglichen Obst- und Gemüsesorten erweitern (siehe auch: Wovon ernähren sich Waschbären); auf Hunde- und Katzentrockenfutter sollte verzichtet werden, alternativ veganes oder auf Madenbasis hergestelltes Hundetrockenfutter
Neu hinzugekommene Bärchen sollten unbedingt von bereits bestehenden Tierbeständen fern- und in Quarantäne gehalten werden, bis klar ist, dass sie frei von Staupe und Parvovirose sind (Blut- bzw. Kotuntersuchung durch Tierarzt und Labor). Danach sollten sie mit dem gleichen Impfschema und den gleichen Kombinationsvaccinen wie ein Hund grundimmunisiert und nachgeimpft werden.

Machen Sie es der Bärin ungemütlich! Dann wird sie ihre Jungen „unter den Arm klemmen“ und umsiedeln. Denn Waschbärmütter haben für die Aufzucht ihrer Jungen immer einen Plan B, C oder D in der Hinterhand. Drehen Sie tagsüber (wenn Schlafenszeit für die Bären ist) z. B. das Radio laut auf, klopfen Sie mit einem Besen an die Decke und machen Sie sich geräuschvoll vor der Dachbodentür bemerkbar.

Machen Sie ihnen das Leben so unkomfortabel wie irgend möglich, indem Sie ihnen den Zugang zu Futter oder Schlafplätzen entziehen. Werfen Sie keine Speisereste auf den offenen Kompost, und sammeln Sie über Nacht das Futter für Wildvögel und Freigängerkatzen wieder ein. Untersuchen Sie Ihr Gartenhaus nach möglichen Schlupflöchern und verschließen Sie sie. Machen Sie sich in Ihrem Garten durch häufige und lautstarke Anwesenheit präsent. Wenn Sie einen Hund besitzen, nehmen Sie ihn mit – am besten angeleint, um keine Jagdszene heraufzubeschwören.

In Hessen dürfen Sie dies nur, wenn Sie gemäß § 19 Abs. 2 des Hessischen Jagdgesetzes erfolgreich eine spezielle Ausbildung für die Fangjagd – im Volksmund „Fallenschein“ genannt –absolviert haben. Anderenfalls müssen Sie einen Jäger mit dem Aufstellen der Falle beauftragen, der neben seinem Jagdschein aber ebenfalls einen Fallenschein vorweisen muss. Die eingesetzten Kasten- oder Röhrenfallen müssen so beschaffen sein, dass das Tier unversehrt gefangen wird und ihm die Sicht nach Außen verwehrt wird (§ 38 der Hessischen Jagdverordnung). Eine Tötung von lebend gefangenen Tieren darf nur mit der Schusswaffe erfolgen (§ 39 Abs. 3 HJagdVO). Der Jäger benötigt hierfür eine waffenrechtliche Schießerlaubnis im befriedeten Bezirk.

In aller Regel nehmen Waschbären Reißaus, wenn sie verbellt oder angefaucht werden, bzw. verlassen sich darauf, dass es ausreicht, wenn sie ihrerseits knurren oder drohen. Einzige Ausnahme sind welpenführende Waschbärmütter, die – wie vermutlich jede Mutter auf der ganzen Welt – ihren Nachwuchs mit Klauen und Zähnen verteidigen. Sehen sich Waschbären jedoch zum Kampf gezwungen, können sie ihrem Gegner mit ihren scharfen Krallen und einem starken Gebiss ernsthafte Verletzungen zufügen!

 Wenn Sie sich nicht damit begnügen wollen, den zuständigen Jagdpächter oder die Polizei zu verständigen und den Bären töten zu lassen, sondern selbst aktiv werden möchten, sollten Sie zuallererst eines tun: auf Eigensicherung achten! Bergen Sie das Tier am besten mit einer dicken Decke oder Jacke oder mit bissfesten Handschuhen und setzen Sie es in eine Transportbox oder einen stabilen und verschließbaren Karton.

Kontaktieren Sie im Anschluss einen Tierarzt und/oder eine Auffangstation. Glücklicherweise gibt es inzwischen deutlich mehr Tierärzte, die bereit und in der Lage sind, einen verletzten Waschbären zu behandeln. Weitere nützliche Tipps zur Bergung und Erstversorgung finden Sie im Übrigen in der Notfallbroschüre der IGHW [Link].

Ja, dürfen Sie! Das Bundesnaturschutzgesetz (§ 45, Abs. 5) erlaubt ausdrücklich, „verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen“. Da Waschbären dem Jagdrecht unterliegen, müssen Sie im Anschluss den zuständigen Jagdpächter oder die Polizei informieren (Hess. Jagdgesetz § 3, Abs. 1). Wenn Sie das Tier/die Tiere allerdings in befriedeten Bezirken finden – das meint Wohn- und Nebengebäude, Innenhöfe und Gärten, Kleingartenanlagen und umzäunte Campingplätze, Friedhöfe und Wildgehege –, entfällt diese Informationspflicht.

Der knifflige Teil folgt nach der tierärztlichen Behandlung: Sollte der Waschbär nicht so schwer verletzt gewesen sein, dass er von seinen Leiden erlöst werden musste, darf er nach aktueller Rechtslage nicht wieder freigesetzt werden (§ 45, Abs. 5 BNatSchG gilt nicht für invasive Arten).

Ja, gibt es. Aber sie alle arbeiten seit Jahren schon am Limit. Denn die Zahl der Flaschenkinder, die von besorgten BürgerInnen abgegeben werden, steigt Jahr für Jahr. Und wenn ein Waschbär einmal in menschliche Obhut gelangt ist, darf er nach erfolgter Kastration/Sterilisation nur dann wieder ausgewildert werden, wenn die zuständige Untere Naturschutzbehörde dies genehmigt. Und nach unserem Kenntnisstand (Nov. 2024) hat dies noch nie eine UNB getan.

Überlegen Sie also gut, bevor Sie einen Waschbärwelpen päppeln und aufziehen. Denn im Anschluss einen Platz in einer Auffangstation zu ergattern, gleicht einem 6er im Lotto!

Einen adulten Bären, der das Leben in Freiheit gewohnt war, in Gefangenschaft zu halten, ist in unseren Augen tierschutzrelevant! Er ist ein Wildtier! Einzig Jungtiere, denen man noch vermitteln kann, dass Menschen furchtbar nette Wesen sein können, die sich gut kümmern und mit denen man viel Spaß haben kann, lassen sich an eine solche Haltung gewöhnen. Oftmals ist es bei den heranwachsenden Bären eine Frage von Tagen, ob sie die Schwelle vom „Haus-“ zum Wildtier schon überschritten haben und nicht mehr in Gefangenschaft gehalten werden können.

Jein. Das Bundesnaturschutzgesetz (§ 69) ahndet es zwar als Ordnungswidrigkeit, wenn Tiere, die als invasiv gelistet sind, „in die Umwelt freigesetzt“ werden, und belegt dies mit einem drakonischen Ordnungsgeld von bis zu 50.000 Euro.

Aber: Auf schriftliche Anfrage des EU-Parlaments hat die EU-Kommission die Rechtmäßigkeit einer Wiederaussetzung nach erfolgter Kastration im Jahr 2019 ausdrücklich bestätigt! Denn die EU-Verordnung hält eine solche nicht-tödliche Managementmaßnahme gerade bei weit verbreiteten Arten wie dem Waschbären für durchaus angemessen (Art 19, Abs. 2). Nach deutschem Recht (Bundesnaturschutzgesetz) kann und muss die Untere Naturschutzbehörde nach den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit über eine solche Maßnahme entscheiden.

Ja! Das Vorblatt [Link] zu den Management- und Maßnahmenblättern, die die Bundesländer für jede invasive Tier- und Pflanzenart miteinander abgestimmt haben, gibt sowohl für die private Haltung als auch für die Weitergabe von Waschbären durch Auffangstationen grünes Licht. Die einzelnen Bundesländer können darüber hinaus weitergehende Auflagen bestimmen wie z.B. eine Meldungs- und Kennzeichnungspflicht. In Hessen ist eine derartige Verordnung nicht erlassen worden, dennoch agieren einzelne Regierungspräsidien (in Hessen gleichzusetzen mit den Oberen Naturschutzbehörden) so, als gäbe es sie. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, lässt seinen Waschbären bei der Kastration auch gleich einen Mikro-Chip setzen und meldet die Haltung je nach Standort beim RP Kassel, Gießen oder Darmstadt an. In Folge wird die zuständige Veterinärbehörde die Haltung überprüfen.

 

Grundlage für die Bewertung einer Waschbärhaltung sind die Vorgaben aus dem so genannten Säugetiergutachten [Link] des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Danach sollte ein Gehege mindestens

  • eine Grundfläche von 30 m2 pro Paar,
  • 2 m2 für jedes weitere Tier und
  • eine Mindesthöhe von 3 m vorweisen bzw. nach oben offen sein.

Auch die Einrichtung sollte mit zahlreichen Kletter-, Spiel- und Versteckmöglichkeiten der Intelligenz, der Neugier und der in Gefangenschaft hohen Lebenserwartung dieser Tiere gerecht werden. Um das friedliche Zusammenleben zu manifestieren, sollten die Tiere außerdem frühzeitig (ca. 4 Monate) kastriert werden.

Die Kastration und ausbruchssichere Unterbringung werden auch in den Management- und Maßnahmenblättern gefordert, die die Bundesländer für jede invasive Tier- und Pflanzenart miteinander abgestimmt haben.

Wenn das Gehege kleiner als 150 m 2 ist, muss in Hessen die Haltung im Übrigen nicht bei den zuständigen Behörden angezeigt werden (siehe § 18 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz).

Dank eines großangelegten Feldversuchs der Wildbiologen Dr. Berit Annika und Dr. Frank-Uwe Michler wissen wir das sehr genau. Im Rahmen des „Projekt Waschbär“ [Link] wurden im Müritz-Nationalpark über mehrere Jahre 982 Kotproben von Waschbären analysiert und folgende Nahrungskategorien und -anteile ermittelt:

32 % pflanzliche Nahrung
23 % Regenwürmer
16 % Schnecken
  7 % Insekten
  6 % Fische
  6 % Amphibien und Reptilien
  4 % Muscheln
  3 % Vögel und deren Gelege
  2 % Säugetiere (zumeist Mäuse)

Bedeutsam an dieser Studie ist zudem, dass im Untersuchungsgebiet mit seinen vielen Feuchtgebieten und Mooren keine negativen Auswirkungen durch die Anwesenheit der Waschbären auf die zahlreichen dort ansässigen Singvögel und Bodenbrüter nachgewiesen werden konnte.

Schaffen es die Tiere, ihren ersten Winter zu überleben, werden sie im Durchschnitt 16 Jahre alt.